dello Spirito del Bosco

Als Meistermein im Schnee versank

Nach einigem Buddeln erblicke ich endlich Meistermein im Schnee!

Forrest Gumps Mama hat es richtig erkannt. Die sagte immer: „Das Leben ist wie eine Pralinenschachtel – man weiss nie, was man bekommt„.

Mein Leben ist ähnlich wie diese Pralinenschachtel: Vorgestern spazierte Meistermein mit mir durch den Frühling, ich schnupperte an frischen Blumen und buddelte ein wenig in der Erde, wälzte mich in frisch ausgebrachtem Mist und sprang im Fluss hinter Forellen her. Doch dann verfrachtete mich Meistermein ins Auto, wir fuhren los, irgendwann döste ich ein. Bis das Auto anhielt. Meistermein öffnete die Türe, ich blinzelte raus und sah: Schnee. SCHNEE! Hey, ich bin ein Wasserhund, und Schnee ist weisses Wasser! Also sprang ich fiepsend vor Freude aus dem Auto, rannte den Berg hoch, wieder runter, hüpfte durch das kalte Weiss und fragte gar nicht danach, weshalb nun, kaum, dass der Frühling begonnen hat, der Winter wieder da ist.

In der Nacht schliefen wir zwar in ungewohnter Umgebung, aber das war mir egal, denn: Am Morgen war der Schnee noch immer da, genauso, wie ich es vermutet hatte! Also drängte ich raus, wälzte mich alle drei Meter im Schnee, bis plötzlich ein anderer  Hund meinen Weg kreuzte. Und dann noch einer. Aber noch bevor wir uns richtig warm schnuppern konnten, sassen wir in einer Seilbahn den Berg hoch (und ich gebe zu: Das geht schneller, als zu Fuss), und bei der Mittelstation sah ich: Noch mehr Hunde. Natürlich war  ich wieder mal die Kleinste – kein Wunder also, dass ich mich zuerst mal ganz ordentlich zurückhielt.

Meistermein jedoch begrüsste eine Menge Männer, die alle in gelben Jacken herumliefen, und während ich warten musste, zottelten sie zusammen los. Dann durfte ein Hund nach dem andern zum Schnee, und von meinem Sitzpunkt aus konnte ich perfekt mitverfolgen, was die machten: Sie jagten sie durch den Schnee, nahmen Witterung auf und gruben danach so schnell, dass hinter ihnen weisse Wolken aufstieben.

„Die suchen nach Verschütteten“, hörte ich jemanden sagen, der neben mir stand und dem Treiben zuschaute. Und jetzt wurde mir klar, was los war: Die spielten nicht! Ich war mitten in einer Lawinenhunde-Übung gelandet! Auf dem Corvatsch. Dort, wo die Luft dünner ist als bei mir zuhause und ich mich doppelt anstrengen muss, um überhaupt mit dem Schwanz zu wedeln.

Noch am Abend zuvor hatte Meistermein das „Barryvox“ studiert, ein Verschütteten-Suchgerät – natürlich nach einem Hund benannt! „What else“, wenn ich als Hündin  George Clooney zitieren darf. In der Gebrauchsanweisung wird gezeigt, wie man Verschüttete suchen soll, und Meistermein kommentierte: „Ha, genau so, wie du immer suchst: Zuerst hin und her, die Spur aufnehmen, und dann die Detailsuche!“ Klar: Wir Hunde wissen, wie der Hase läuft. Und die Lawinenhunde suchten genauso. Barryvoxe auf vier Pfoten. Konzentriert, ohne, dass ihre Meister gross Anweisungen geben mussten, die wussten von alleine, worum es geht.

Dabei will ich eines nicht vergessen zu erwähnen: Meistermein machte wacker mit. Wacker heisst: Im Rahmen seiner bescheidenen sportlichen Möglichkeiten. Denn während der Suche folgte der Hundeführer dem Hund. Und Meistermein folgte, mit einer Schaufel bewehrt, dem Hundeführer, um jedesmal, wenn ein Hund etwas fand, im Schnee zu buddeln. Und weil die Hunde schneller waren als er buddeln konnte, war er schon nach wenigen Minuten von Kopf bis Fuss schweissgebadet und kraxelte schliesslich wieder erschöpft den Lawinenkegel hoch.

Doch dann kam für mich der Höhepunkt: Ich durfte versuchen, mit den Grossen mitzuhalten – mit den Lawinenhunden, die schon seit Jahren auf den Bergen Leben retten.

Die erste Übung war einfach: Meistermein rannte im Schnee davon, und plötzlich, schwuppsdiwupp, war er weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Als ich losrannte und suchte, war es einfach: Dort, wo er eben noch stand, war ein Loch und dort drin Meistermein.

Dann wurde es etwas schwieriger: Wieder verschwand Meistermein im Schnee. Doch von einem Loch war jetzt keine Spur mehr. Stattdessen: Schnee. Aber das war ähnlich wie mit Trüffeln: Man sucht den Geruch, gräbt, und gräbt, und scharrt noch ein wenig mehr mit den Pfoten, bis ich endlich in das Loch runtersteigen konnte, in dem mein Büchsenöffner verschwunden war. Sofort kamen die anderen Hundeführer dahergerannt und sorgten dafür, dass das Loch so gross wurde, dass Meistermein mir ans Licht folgen konnte. Da war keine Spur von „Spiel“ – es war zwar eine Übung, aber alles, jeder Handgriff, jede Funkmitteilung, war wie im Ernstfall. Denn dort muss alles klappen.
Und hier kann das Filmchen meines Abenteuers angeguckt werden…

Ich gebe es zu: Für mich war das ein toller Erfolg. Und so richtig stolz wurde ich, als ein altgedienter Hundeführer meinte, dass ich das Zeug dazu hätte, ein ausgezeichneter Lawinenhund zu werden.

Doch im Lauf des Tages wurde mir klar: Dazu wird es nicht kommen. Erstens, weil Meistermein zu alt ist. Zweitens, weil wir nicht in den Bergen leben.

Und als ich den Menschen zuhörte, wie sie miteinander sprachen, lernte ich viel: Dass sie alle dies freiwillig machen, dass sie für Ausbildung, Übungen und tagelanges Piket keine Entschädigung erhalten, wie schwierig es für sie manchmal auch ist, mit dem umzugehen, was sie bei einem Ernstfall erleben. Kurzum: Auch wenn mir die Übung Spass machte, hat sie einen sehr ernsten Hintergrund.

Für mich ist eines klar: Wenn ich darf, werde ich wieder an einer Übung teilnehmen. Ein „Barry“, der 40 Leben gerettet haben soll, werde ich nie. Jedoch ist es ein so tolles Team mit Menschen und Hunden, dass es einfach eine Erfahrung fürs Leben ist. Und Erfahrungen, sagt Meistermein, kann man nie genug haben.

Ach ja, à propos Erfahrung: Da gibt es noch eine, die ich nicht missen möchte: Als wir am Abend wieder zuhause waren, stakste Meistermein ganz merkwürdig in der Gegend rum und murmelte immer wieder etwas, das so tönte: „Muskelkater! MUUUUSKELKAAATER! Vom kleinen Zeh bis zum Halszäpfchen!“ Keine Ahnung, wer dieser offensichtlich unfreundliche Kerl namens „Muskelkater“ ist. Aber wenn Meistermein nach jeder Übung so rumläuft, dann will ich an möglichst vielen teilnehmen!

********

Noch eine Bemerkung am Rande von Meistermein: Wie Amira erwähnt hat, leisten die Männer und auch die Hunde des Rettungshunde-Teams Oberengadin Ausserordentliches. Sie retten nicht nur Leben, sie riskieren ihres auch, um anderen Menschen zu helfen. Und: Sie sind auf Spenden angewiesen. Ich weiss, das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl. Und der Wink geht noch weiter: Nämlich bis zur Konto-Nummer: Postfinance – Konto 70-9062-1, Lawinenhundegruppe Oberengadin Celerina.

3 Antworten

  1. Susanne Freese

    Wieder mal super geschrieben! Danke dafür 🙂

    25. März 2012 um 17:54

  2. Oh Amira, das hört sich grossartig an 🙂 Schön, dass ihr dort zeigen konntet, zu was ein Lagötteli alles fähig ist :-)) Bin total stolz auf euch…. grüss MeisterDein von uns

    25. März 2012 um 17:56

  3. Guido

    hallo Guido
    habe Deine „Geschichte“ wiedermal durchgelesen und darf Dir sagen , dass sie mir sehr gefällt .Wir sind nun schon wieder an den Sommerrettungsübungen . Wäre schön Euch wiedermal dabei zu haben.
    Mit lieben Grüssen Guido aus Celerina

    24. Juni 2012 um 14:53

Hinterlasse eine Antwort zu Denise Antwort abbrechen